Zwischen „Mach mal schön“ und guter Führung

  • Beitrag zuletzt geändert am:29. Juni 2025
  • Beitrags-Kategorie:Grafik-Design
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Ich war fest davon überzeugt, dass wir gleich über die Banner für die Frühlingswerbung sprechen würden und darüber, dass sie wohl nicht ganz so gut ankommen.

Dass ich angeblich unter Beobachtung stehe, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht. Mein Chef hatte mich ins Büro gebeten und das war sonst nie ein gutes Zeichen. Ich ging also rein, rechnete mit Kritik. Und kam mit einem Lob wieder raus.

Er sagte, er habe gehört, ich wolle einen bestimmten Auftrag nicht übernehmen. Ob das stimme? Ich war irritiert – und auch ein bisschen nervös. Aber wir redeten. Offen. Direkt. Und statt Vorwürfen bekam ich Anerkennung: dafür, dass ich meine Arbeit gut mache. Dass ich mitdenke. Und dass es gut ist, dass ich Dinge hinterfrage.

Das war neu für mich und es hat mich geprägt. Denn Chef:in sein heißt nicht, alles zu wissen. Es heißt, zuzuhören. Und ernst zu nehmen, was die Leute sagen, die die eigentliche Arbeit machen.

Chef ist nicht gleich Chef

Im Laufe meiner Berufsjahre habe ich einige Chef:innen erlebt – die ganze Bandbreite. Und ja, da war so ziemlich alles dabei. Manche bleiben einem vor allem als Lehrbeispiel in Erinnerung. Nicht unbedingt im positiven Sinne.

Da sind zum Beispiel die „Ich-will-aber“-Typen. Die stellen Fachkräfte ein, hören dann aber nicht auf sie. Design? Zweitrangig. Hauptsache, es sieht am Ende so aus, wie sie es sich vorstellen. Argumente, Zielgruppen, Lesbarkeit? Geschenkt. Es zählt nur der eigene Geschmack oder schlimmer: das Bauchgefühl.

Dann gibt es die Besserwisser:innen, die jede Kleinigkeit besser wissen (wollen), ganz egal, ob sie je ein Layoutprogramm von innen gesehen haben oder nicht. Diskussionen enden meist mit einem „Na ja, mach’s halt trotzdem so“. Auch wenn das Ergebnis dann weder wirkt noch überzeugt – und oft auch nicht verstanden wird.
Und glücklicherweise gibt es auch die Teamspieler:innen. Menschen, die auf echten Austausch setzen. Die wissen, dass gute Gestaltung mehr ist als Dekoration. Dass es um Wirkung geht, um Funktion, um Kommunikation. Und die offen dafür sind, gemeinsam nach der besten Lösung zu suchen – auch wenn sie nicht von ihnen selbst kommt.

Design ist kein Wunschkonzert – aber auch kein Ego-Trip

Ein besonders prägnantes Beispiel für so einen „Ich-will-aber“-Moment war ein Auftrag aus der Gastronomie. Die Kundin hatte sich etwas Besonderes für ihre Restaurantwerbung gewünscht – etwas mit Blickfang, etwas, das hängen bleibt. Mein Chef übergab mir den Auftrag mit den Worten: „Mach das mal wie immer. Schema F, du weißt schon.“

Ich ahnte schon: Das passt nicht. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht wirklich verstanden hatte, was die Kundin eigentlich wollte. Ich versuchte es auf allen Wegen: Ich erklärte, warum das Vorgehen nicht zum Ziel führen würde. Ich bot an, direkt mit der Kundin zu sprechen. Aber er blockte ab. „Wir machen das jetzt so.

Na gut. Dann eben so.

Die Kundin war – Überraschung – alles andere als begeistert. Das war nicht das, was sie sich vorgestellt hatte. Und plötzlich war es dann doch möglich, dass ich den direkten Kontakt übernahm. Nach einem längeren Telefonat war klar: Sie wollte keinen schnödes Standardschild mit vier Ecken, sie wollte einen Hingucker. Etwas, das im Stadtbild auffällt. Etwas, das neugierig macht.

Also habe ich neu gedacht. Um die Ecke gedacht. Und am Ende entstand eine ungewöhnliche Lösung: Ein riesiges rotes Eisenbahnradspeichen-Ding (ja, wirklich) mit einzeln montierten Buchstaben – ein echter Blickfang. Die Kundin war begeistert. Der Auftrag wurde größer als gedacht. Und mein Chef? Der lobte mich zwar nicht, aber behandelte mich danach anders. Er ging hin und wieder mit mir in den Austausch zu Kundenprojekten und es musste nicht mehr alles Schema F sein.

Was ich brauche, um gute Arbeit zu machen

Ich brauche keine Fruchtschale im Büro. Auch keinen Tischkicker. Und ganz sicher keine Kalendersprüche über Teamgeist.

Was ich brauche, ist ganz einfach: die richtigen Voraussetzungen, um meine Arbeit als Designerin gut machen zu können. Und dazu gehört mehr als ein Briefing, das zur Hälfte aus Annahmen besteht.

Ich brauche:

  • Informationen. Und zwar nicht zwischen Tür und Angel, sondern so, dass ich ein Projekt verstehen kann. Was soll erreicht werden? Für wen ist das gedacht? Welche Wirkung ist gewünscht?
  • Zusammenhänge. Es hilft, wenn ich weiß, warum etwas überhaupt gemacht werden soll. Ich will nicht einfach nur gestalten – ich will gestalten, damit es wirkt.
  • Materialien und Inhalte, die rechtzeitig kommen. Wer mir zwei Tage vor Druckdatenabgabe erst die Inhalte zur Verfügung stellt, darf sich nicht wundern, wenn ich die Augen verdrehe.
  • Zeit, um Ideen zu entwickeln. Design auf Knopfdruck gibt es nicht. Zumindest kein gutes.
  • Echten Austausch. Nicht im Sinne von: „Ich will aber, dass es grün wird!“ Sondern als Gespräch auf Augenhöhe – über Ziele, Möglichkeiten und Alternativen.

Gute Führung heißt für mich nicht, alles freizugeben, was ich vorlege. Sondern: die richtigen Fragen zu stellen, Hintergründe zu erklären und gemeinsam zu entscheiden, was wirklich passt.

Verantwortung übernehmen – auch ohne Titel

Ich bin keine Führungskraft. Ich habe kein Team unter mir, keine Personalverantwortung, keine Abzeichnungsbefugnis in fünfstelliger Höhe.
Aber: Ich übernehme Verantwortung. Jeden Tag. Für meine Arbeit. Für das Ergebnis. Für die Wirkung dessen, was am Ende veröffentlicht, gedruckt oder gepostet wird.

Dafür muss ich mitdenken dürfen. Ich will verstehen, was hinter einem Auftrag steckt. Ich frage nach. Immer wieder. Nicht, um jemanden zu nerven, sondern damit ich am Ende ein Design liefern kann, das seinen Zweck erfüllt.

Wenn jemand sagt: „Mach einfach eine Linie unter das Logo“, dann frage ich nicht nur ob, sondern vor allem warum. Was genau stört? Was fehlt? Worum geht’s wirklich? Oft zeigt sich: Es geht gar nicht um die Linie. Sondern um eine überladene Seite. Um fehlende Luft. Oder ein Unbehagen, das niemand richtig greifen kann. Und das ist meine Aufgabe: dahinterzuschauen. Herauszufinden, was wirklich gebraucht wird.

Ich trete für gute Gestaltung ein. Nicht, weil ich rechthaberisch bin. Sondern weil ich meinen Job ernst nehme. Und weil ich weiß, dass Gestaltung dann am besten funktioniert, wenn sie nicht aus reiner Gefälligkeit entsteht – sondern aus Klarheit

Fazit: Chef:in sein ist keine Frage der Position

Ich glaube nicht an die perfekte Führungskraft. Menschen machen Fehler. Sie haben gute und schlechte Tage, eigene Vorlieben, blinde Flecken. Entscheidend ist nicht, alles richtig zu machen – sondern offen und ehrlich miteinander reden zu können. Auch wenn es mal unangenehm ist.

Für mich zeigt sich gute Führung nicht im Titel. Sondern darin, wie man miteinander umgeht. Ob man zuhört. Ob man Dinge erklärt. Ob man bereit ist, gemeinsam zu denken auch dann, wenn jemand eine andere Meinung hat.
Und manchmal, da wird Verantwortung einfach übernommen. Von denen, die gar nicht Chef:in sind. Weil es nötig ist. Weil sie es können. Und weil sie ihre Arbeit ernst nehmen.

Dieser Artikel ist mein Beitrag zur Blogparade von Andrea Sam zu Thema„Cheferfahrungen“.

Welche Chef-Typen sind dir in deinem Berufsleben begegnet und wie gehst du mit ihnen um?
Ich freue mich, wenn du deine Gedanken in den Kommentaren teilst!

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Andrea Sam

    Liebe Dana,

    danke für Deinen Beitrag zu meiner Blogparade!
    Ich musste so grinsen – Du brauchst keine Fruchtschale, keinen Tischkicker und erst recht keine Teamsprüche. Alles Dinge, die ich nur zu gut kenne.

    Stattdessen sagst Du ganz klar, was Du brauchst – und was für Dich gute Führung ausmacht:
    Informationen, Zusammenhänge, Materialien, Inhalte.
    Kein Chichi, kein Geklimper – sondern handfeste Orientierung und klare Kommunikation, mit der man wirklich arbeiten kann.
    Das finde ich klasse – und sehr wohltuend in einer Zeit, in der oft Verpackung wichtiger scheint als Inhalt.

    Danke, dass Du Deine Perspektive beigesteuert hast! Sie bringt auf wunderbar sachliche Weise etwas sehr Relevantes auf den Punkt.

    Herzliche Grüße
    Andrea

    1. Dana Schulz

      Liebe Andrea,
      vielen Dank für deine lieben Worte – ich hab mich sehr darüber gefreut! 😊
      Deine Blogparade hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht, und ich finde es toll, wie vielfältig die Perspektiven darauf sind. Umso schöner, dass mein Beitrag bei dir so klar angekommen ist – danke für den Raum und die Anregung!

      Herzliche Grüße
      Dana

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