Was ist Kunst? Zwischen Definition, Alltag und digitalem Wandel

  • Beitrag zuletzt geändert am:19. Mai 2025
  • Beitrags-Kategorie:Kunst
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Es gibt Fragen, die lassen sich nicht einfach beantworten. Nicht, weil sie zu kompliziert wären – sondern weil sie zu groß sind. „Was ist Kunst?“ ist so eine Frage. Sie scheint auf den ersten Blick harmlos, fast banal. Aber je länger man darüber nachdenkt, desto mehr fängt sie an zu arbeiten – im Kopf, im Gefühl, vielleicht sogar im Selbstverständnis.

Ich bin dieser Frage schon oft begegnet. Das erste Mal im Kunstunterricht an der Schule und dann wieder an der Grafik+Design-Schule. Dort hatten wir das Fach Philosophie. An das einzige Thema, was wir in diesem Unterricht behandelt hatten war: Was ist Kunst?
Falls es doch mal ein anderes Thema gab, kann ich mich nicht mehr dran erinnern. Jede Woche wieder von vorne: Was ist Kunst?

Haben wir eine Antwort gefunden? Ja und nein – ein gibt irgendwie keine eindeutige Antwort.

Und trotzdem hat jede:r sofort ein Bild im Kopf. Ein Gefühl. Eine Meinung. Kunst ist… etwas zum Angucken. Etwas, das berührt. Etwas, das aneckt. Etwas, das einen Zweck erfüllt – oder gerade keinen. Vielleicht ein Ausdruck. Vielleicht ein Experiment. Vielleicht einfach ein schöner Zufall.

Und genau deshalb lohnt es sich, dieser Frage Raum zu geben. Nicht, um sie abschließend zu klären – sondern um ihr nachzugehen.

Was ist Kunst für mich? Und was vielleicht auch nicht? Dieser Frage gehe ich im Rahmen meiner eigenen Blogparade „Was ist Kunst?“ mit diesem Artikel nach.

Kunst zwischen Definition und Gefühl

Wer sich fragt, was Kunst eigentlich ist, stößt schnell auf unzählige Definitionen – philosophische, kunsthistorische, kulturtheoretische. Manche versuchen, Kunst als ein Produkt menschlicher Kreativität zu fassen. Andere betonen den Ausdruck von Emotion, den Bruch mit Konventionen oder die Erzeugung von Bedeutung. Und dann gibt es noch die praktischen Definitionen, die zwischen freier Kunst, angewandter Kunst und Gestaltung unterscheiden.

All das ist spannend – und doch bleibt oft ein Gefühl zurück: Diese Definitionen erfassen etwas, aber nicht alles. Sie sind wie Rahmen, in die nicht jedes Bild passt.

Denn Kunst ist nicht nur das, was in Museen hängt oder in Galerien verkauft wird. Kunst kann in einem Musikstück stecken, in einer Geste, in einer gekonnten Typografie. Sie kann auf einem alten Plakat an der Straßenecke sitzen oder in einem Satz, der uns nicht mehr loslässt. Vielleicht sogar in einem Moment, der sich nicht wiederholen lässt.

Für mich persönlich beginnt Kunst oft da, wo ich etwas spüre, das sich nicht in Worte fassen lässt. Wo mich etwas irritiert, berührt oder staunen lässt. Kunst muss dabei nicht schön sein. Sie muss nicht gefallen. Sie muss nicht einmal gefallen wollen. Aber sie hat diese Eigenart, mich für einen Augenblick zu unterbrechen. Den Blick zu weiten. Eine neue Spur zu legen.

Vielleicht ist genau das der Kern:

Nicht, was Kunst ist – sondern was sie mit uns macht.

Wo Kunst beginnt – und Design (vielleicht) aufhört

Als jemand, der im Bereich Gestaltung arbeitet, begegnet mir diese Grenze immer wieder: zwischen dem, was als „Kunst“ gilt – und dem, was „Design“ ist. Und oft frage ich mich: Ist diese Unterscheidung überhaupt sinnvoll? Oder ist sie nur historisch gewachsen, akademisch aufgeladen, praktisch konstruierbar?

Design hat in der Regel einen Zweck. Es soll kommunizieren, leiten, verkaufen, strukturieren. Es ist gebunden an Zielgruppen, an Funktionalität, an Briefings. Kunst hingegen – so wird oft gesagt – ist frei. Sie darf sinnlos sein, politisch, unbequem, poetisch, laut oder still. Sie darf Fragen stellen, ohne Antworten liefern zu müssen.

Und doch: Ich habe schon Design erlebt, das mich tief bewegt hat. Eine Plakatreihe, bei der mir der Atem stockte. Eine Editorial-Strecke, die eine ganze Geschichte erzählt hat, nur mit Farben und Typografie. Und ich habe Kunstwerke gesehen, die mich völlig kaltgelassen haben, obwohl sie offiziell als „groß“ galten.

Vielleicht ist die Unterscheidung gar nicht so sehr eine Frage der Kategorie – sondern des Zugangs. Vielleicht geht es eher darum, mit welcher Haltung wir etwas gestalten oder betrachten. Ob wir nach Funktion fragen – oder nach Bedeutung. Ob wir uns leiten lassen – oder leiten wollen. Ich selbst fühle mich manchmal wie eine Gestalterin – manchmal wie eine Künstlerin. Und manchmal einfach wie jemand, der versucht, etwas sichtbar zu machen, das sonst unsichtbar bleibt.

Kunst in meinem Alltag

Kunst ist in meinem Alltag nicht immer laut. Sie drängt sich nicht auf, ist selten museal, fast nie groß inszeniert. Und doch ist sie da – in kleinen Momenten, in Formen, Farben, Gedanken, Blicken. Manchmal ist es ein Bild, das ich zufällig auf Instagram sehe und das mich nicht mehr loslässt. Manchmal ein Satz in einem Buch, der hängen bleibt. Oder ein Layout, das beim Durchblättern einer Zeitschrift plötzlich ganz still sagt: Schau hin.

Als Designerin bin ich täglich von Gestaltung umgeben. Ich sehe, was funktioniert. Ich analysiere, was gut gelöst ist. Ich denke in Raster, Typo, Komposition. Aber manchmal – da kippt etwas. Da kommt dieser Moment, wo das, was ich sehe, nicht mehr nur „gut gestaltet“ ist, sondern mehr. Wo ich nicht mehr beurteile, sondern spüre.

Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Arbeit, in der eine einzige Farbe den gesamten Ausdruck getragen hat. Oder an eine Collage aus Papier und Pixeln, die in ihrer Rohheit so viel erzählt hat – ohne Worte, ohne Erklärungen. Das war für mich Kunst. Nicht, weil es so genannt wurde, sondern weil es etwas in mir ausgelöst hat.

Und es gibt auch das Gegenteil: Dinge, die perfekt gemacht sind, makellos gestaltet, technisch brillant – und doch bleibt nichts zurück. Keine Frage. Kein Impuls. Kein Nachhall. Kunst in meinem Alltag ist nicht planbar. Aber sie ist möglich. Immer wieder.


Wenn ich offen dafür bin. Wenn ich hinschaue. Wenn ich zulasse, dass auch Irritation, Unverständnis oder Überforderung Teil des Erlebens sein dürfen.

Wie Kunst in der Galerie lebendig wird

Ein Jahr lang habe ich in der Galerie arte deposito in Libnow vor den Toren der Insel Usedom gearbeitet. Es war kein Job im klassischen Sinn, sondern ein Eintauchen in eine Welt, die mir vorher zwar vertraut erschien – aber aus der Distanz. In dieser Zeit durfte ich die Kunst nicht nur betrachten, sondern begleiten: vom Aufbau bis zur Vernissage, vom Künstlergespräch bis zum Verkauf.

Ich habe bei der Vorbereitung der Ausstellungen mitgewirkt, Werbung gestaltet, Texte geschrieben, Veranstaltungen organisiert und viele Stunden in den Ausstellungsräumen verbracht. Malerei, Grafik, Fotografie, Skulpturen – so verschieden die Werke waren, so unterschiedlich waren auch die Menschen dahinter.

Was mich am meisten beeindruckt hat, war der direkte Austausch mit den Künstler:innen. Zu hören, wie sie arbeiten, was sie antreibt, wie lange ein Werk in ihnen gärt, bevor es Form annimmt. Wie viel Zweifel, Mut, Intuition und Handwerk in einem Bild stecken kann. Diese Gespräche haben mein Verständnis von Kunst nachhaltig verändert. Kunst ist oft nicht das, was man sieht – sondern das, was man nicht sieht: der Prozess, der Gedanke, die Entscheidung, etwas zu zeigen.

Genauso spannend waren die Gespräche mit den Besucher:innen. Wie unterschiedlich sie auf dieselben Werke reagieren. Wie sehr ein Bild, das mich kaltließ, bei jemand anderem ins Herz traf. Oder umgekehrt. Und dann waren da diese Fragen, die immer wieder auftauchten: Was sehe ich hier eigentlich? Was macht das mit mir? Warum spricht mich das an? Warum würde ich genau dieses Werk kaufen – oder eben nicht?

In der Galerie wurde mir klar: Kunst ist ein Dialog – zwischen Werk und Betrachter:in. Zwischen Idee und Interpretation. Zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem. Und oft auch ein Spiegel. Nicht nur der Künstler:in – sondern auch von uns selbst.

Neue Räume, neue Fragen: Kunst im digitalen Wandel

Die digitale Welt hat Kunst nicht nur sichtbar gemacht – sie hat auch verändert, wie wir darüber nachdenken, was Kunst heute ist. Noch nie war es so leicht, ein Bild zu veröffentlichen, gesehen zu werden, Feedback zu bekommen. Und noch nie war es so schwer, im Strom der Bilder wirklich wahrgenommen zu werden.

Plötzlich sind Museen auf Instagram. Künstler:innen kuratieren ihre eigenen Ausstellungen auf ihren Feeds. Zwischen DIY-Tutorials und viralen Tanzvideos tauchen digitale Collagen, 3D-Kunstwerke oder KI-generierte Porträts auf. Kunst hat das Internet längst erobert – oder umgekehrt?

Mit der Technologie sind auch neue Fragen gekommen:
 Ist ein Werk noch Kunst, wenn es von einer KI erschaffen wurde? Oder nur noch ein „Produkt“? Muss ein:e Künstler:in selbst Hand anlegen – oder reicht es, wenn die Idee stimmt? Zählt der Prozess, das Material, das Menschliche? Oder ist gerade das Konzept das eigentlich Künstlerische?

Ich merke, wie sehr mich diese Fragen faszinieren – und gleichzeitig herausfordern. Auch weil ich selbst digitale Tools nutze, um zu gestalten. Auch weil ich weiß, wie schnell aus einem kreativen Impuls ein Bild wird, das wirkt wie „Kunst“, ohne dass es sich für mich so anfühlt.

Vielleicht ist auch das eine Verschiebung, die der digitale Wandel mit sich bringt: Dass der Blick allein nicht mehr reicht. Dass wir stärker nach Intention fragen. Nach Kontext. Nach Urheberschaft. Und auch: nach Haltung.

Und dennoch, oder gerade deshalb, glaube ich: Kunst kann auch in digitalen Räumen lebendig sein. Wenn sie uns berührt. Wenn sie uns aus dem Scrollen herausreißt. Wenn sie nachhallt – jenseits von Likes, Algorithmen und Perfektion.

Vielleicht geht es nicht darum, was Kunst ist

Die Frage, was Kunst wirklich ist, lässt sich nicht endgültig beantworten – und vielleicht ist genau das ihre Stärke. Kunst entzieht sich der Eindeutigkeit. Sie weicht Definitionen aus, sprengt Kategorien, verändert sich mit dem Blick derer, die sie betrachten.

Was für die einen bedeutungsvoll ist, bleibt für andere unverständlich. Was gestern noch provokant war, hängt heute im Museum. Was auf Social Media für einen Moment glänzt, ist morgen vielleicht vergessen – oder wird doch ein Klassiker. Kunst ist nie nur das Werk allein. Sie ist das, was zwischen Werk, Kontext und Publikum entsteht. Ein Spannungsfeld. Ein Gespräch. Ein Echo.

In meiner eigenen Auseinandersetzung mit dieser Frage habe ich gemerkt: Ich brauche keine feste Definition. Mir reicht die Offenheit. Die Möglichkeit, immer wieder neu hinzuschauen. Mich berühren zu lassen – oder zu reiben. Fragen zu stellen, auch wenn es keine klaren Antworten gibt.

Vielleicht ist Kunst genau das:
 Etwas, das uns herausfordert, weil es sich nicht festhalten lässt.
Etwas, das bleibt, auch wenn wir es nicht ganz verstehen.

Wer noch tiefer einsteigen möchte …

Da mein Zugang zu Kunst eher persönlich und erfahrungsbasiert ist, lohnt sich der Blick auf andere Perspektiven besonders – gerade auch weil die Frage „Was ist Kunst?“ so viele Ebenen hat. Wer sich tiefer mit Definitionen, Theorien und kunsthistorischen Entwicklungen beschäftigen möchte, findet online einige spannende Anlaufstellen:

💡 Auf Wikipedia wird ein breiter Überblick über die Entwicklung des Kunstbegriffs gegeben – von der Antike bis zur Gegenwart. Interessant ist hier, wie sehr sich das Verständnis von Kunst im Lauf der Jahrhunderte verändert hat – und wie stark es bis heute vom jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Kontext abhängt.

💡 Der Artikel auf art-affair.net beleuchtet Kunst aus einer modernen Perspektive: Was kann Kunst heute leisten – und wo stößt sie an ihre Grenzen? Hier geht es u. a. um Abgrenzung zu Design, Marktmechanismen und die Frage, ob Kunst immer eine Botschaft braucht.

💡 Auf kunstplaza.de wird die Frage „Was ist Kunst?“ bewusst provokativ und alltagsnah gestellt – mit klarer Haltung: Kunst beginnt nicht erst im Museum. Auch hier wird deutlich, wie schwer sich der Versuch einer einheitlichen Definition tut – und wie bereichernd genau das sein kann.

Ich finde es spannend, wie unterschiedlich diese Beiträge das Thema angehen – und wie sehr sie trotzdem etwas gemeinsam haben: die Einsicht, dass Kunst sich nicht in Worte zwingen lässt. Aber das heißt nicht, dass es sich nicht lohnt, darüber zu sprechen.

Fazit

Die Frage „Was ist Kunst?“ lässt sich nicht endgültig beantworten – und genau das macht sie so faszinierend. Je mehr ich mich mit ihr beschäftige, desto klarer wird mir: Es geht nicht darum, eine Definition zu finden, die immer und überall passt. Sondern darum, offen zu bleiben für die vielen Formen, Wege und Wirkungen, die Kunst haben kann.

Kunst ist nicht nur das große Werk an der Wand. Sie kann leise sein, beiläufig, vergänglich – und trotzdem tief wirken. Sie entsteht im Dialog, im Zweifel, im Ausprobieren. Und manchmal genau dann, wenn wir aufhören, nach einer Definition zu suchen.

Was Kunst für mich ist? Vielleicht vor allem: ein offener Raum. Für Gedanken. Für Emotionen. Für Begegnung.

Und du?

Wie denkst du über Kunst? Hast du eine ganz eigene Definition? Oder vielleicht einen Moment, in dem dir Kunst ganz neu begegnet ist? Hinterlasse deine Gedanken dazu gerne unten in den Kommentaren.

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